Nachgefragt: Wenn aus Krise alltag wird

Seit Wochen stellt das Corona-Virus unser gewohntes Leben auf den Kopf und lässt uns einen völlig neuen Alltag erleben. Wir haben bei der aus dem TV bekannten Kinder- und Jugendpsychologin Simone Breitenfeld (u. a. „Teenager Bootcamp") nachgefragt, wie du mit der Situation am besten umgehst, wieso Kreativität jetzt besonders wichtig ist, was es alles für einen positiven Schulerfolg in den eigenen vier Wänden braucht und warum die Krise für junge Paare – die sich aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht treffen dürfen – auch eine Chance ist.

Bandproben, Fußballtrainings, Freunde treffen, am Wochenende Party machen oder sich einfach spontan fürs Kino oder Shoppen verabreden  – das Leben, wie man es bis vor Kurzem noch kannte, hat sich um 180 Grad gedreht. Wie gehe ich mit so einer Umstellung, in der von einem auf den anderen Tag plötzlich alles anders scheint, am besten um? 

Simone Breitenfeld: Das ist eine schwierige Frage und pauschal nicht so einfach zu beantworten. Jeder von uns verarbeitet diesen Schock anders. Als erstes ist es wichtig, dass du dir klar werden musst, warum es jetzt überhaupt diese ganzen Verbote und Einschränkungen im täglichen Leben gibt. Tausche dich hierfür regelmäßig mit deinen Freunden aus (dein Handy oder Computer bieten dir die besten Möglichkeiten, um dich von zu Hause aus zu vernetzen), hole dir Informationen aus vertrauenswürdigen Nachrichtenquellen und rede mit deinen Eltern oder anderen Bezugspersonen darüber. Je eher du ein Verständnis für die derzeitige Situation aufbaust, umso besser kannst du diese auch akzeptieren.

Auch der gewohnte Schulunterricht hat sich mit den von der Regierung verhängten Corona-Maßnahmen entscheidend verändert. Statt Klassenzimmer und Schulfreunde ist jetzt "Online-Teaching" und "Distance-Learning“ angesagt. Welche Hürden gilt es hierbei zu überwinden, damit ich in den eigenen vier Wänden zum gewünschten Lernerfolg komme? 

Simone Breitenfeld: Schaffe dir zu Hause selbst eine Struktur. Ein gewohnter Tagesablauf mit fixen Lernzeiten unterstützt dich bei deinen Aufgaben, indem es dir leichter fällt dich dafür zu überwinden. Beginne deinen Schultag am besten mit dem Anfertigen einer Liste, auf welche du alle Aufgaben schreibst, die du für den heutigen Tag erledigen willst. Die Liste verschafft dir eine gute Übersicht und lässt dich Sachen nicht mehr so einfach vergessen. Auch deine Motivation steigt nach jeder abgehakten Aufgabe. Vernetze dich zudem mit deinen Klassenkameraden online und lerne mit ihnen zusammen.

Auf der einen Seite steht das eigene Zimmer als Ort für geistige Freiheit und Selbstentfaltung, auf der anderen Seite verkommt es jetzt immer mehr zu einem Raum mit Notendruck und Lernstress. Welche Möglichkeiten habe ich, um mich in der Freizeit vom „Homeschooling" abzugrenzen?

Simone Breitenfeld: Versuche Dinge die „To Do’s" sind immer an ein und dem selben Platz, zum Beispiel am Schreibtisch oder Esstisch, zu machen. Damit konditionierst du dein Gehirn und steigerst deine Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Du wirst sehen, es wird dich am immer wieder selben Platz weniger Überwindung kosten mit Aufgaben zu beginnen, als wenn du die Dinge immer an verschiedenen Orten erledigst. Es ist ähnlich wie in der Schule – dort wird gelernt und geübt. Und wenn die Schule aus ist, verlässt man sie und kann sich anderen Sachen widmen. 

Und was ist mit Pausen?

Simone Breitenfeld:Pausen ja, aber nur in Form eines kurzen Ausruhen von der Aufgabe. Auf keinen Fall weggehen und in der Zwischenzeit eine andere Sache beginnen – sonst fällt dir die Überwindung wieder zur eigentlichen Aufgabe zurückzukehren und dich darauf einzulassen um ein Vielfaches schwerer. Verliere bei deinen Aufgaben nicht den Faden, lass dich nicht ablenken und bleibe bis zum Ende konzentriert.

Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen spielt sich der neugewonnen Alltag hauptsächlich zu Hause und innerhalb der Familie ab. Was kann ich tun, damit mir nicht die Decke auf den Kopf fällt oder das Gefühl der sozialen Einsamkeit in mir ausbricht?

Simone Breitenfeld:Es wird deinen Freunden ähnlich gehen. Schreibe ihnen via Messengern, rufe sie regelmäßig an und unterhalte dich über alles, was dir so einfällt. Frage sie auch, wie sie mit der Situation umgehen und wie ihr Alltag zu Hause aussieht. Am besten machst du das mit Videotelefonie. So hast du die Möglichkeit deine Freunde, ihr Gesichter und ihre Mimik zu sehen. Das schafft ein Gefühl von Vertrautheit, wenn man sich schon real nicht begegnen kann. 

Die viele Zeit mit deiner Familie zu Hause bietet auch Chancen, um kreative Prozesse zu starten. Ihr könnt etwa gemeinsam Spiele spielen, etwas Kochen oder Backen, zusammen malen und basteln, Projekte im Hasuhalt verwirklichen und noch vieles mehr. Wenn dir der Alltag mit deiner Familie dann aber doch zu viel wird, ziehe dich für eine Zeit lang alleine an einen Ort zurück (etwa in dein Zimmer oder einen anderen Raum), wo du dich wohl fühlst und ungestört bist. Es braucht in Zeiten wie diesen auch zu Hause hin und wieder Abstand.

Beziehungen und Partnerschaften werden aufgrund der Ausgeheinschränkungen auf eine harte Probe gestellt. Vor allem die körperliche Nähe wie auch gemeinsame Unternehmungen fehlen vielen Pärchen. Inwieweit muss ich mir und meinen Bedürfnissen selber Grenzen setzen, ohne dabei Gefahr zu laufen, meine/n Freund/in zu verlieren?

Simone Breitenfeld: Das ist ein ganz schwieriges Thema und eine große Herausforderung, die auch bei deinen Eltern Anerkennung haben sollte. Immerhin wird gerade von außen bestimmt, dass es dir nicht erlaubt ist, deiner Verliebtheit in der Form nachzugehen, wie du das vielleicht gerne würdest. Was kannst du also tun, wenn du deine/n Partner/in nicht treffen darfst? Haltet beide online Kontakt, redet viel und und nutzt die Möglichkeit, euch auch auf diesem Weg besser kennenzulernen. Zudem ist es ein guter Zeitpunkt zu erfahren, dass eine Beziehung mehr als nur körperliche Nähe ausmacht. Außerdem habt ihr die Möglichkeit herauszufinden, ob ihr auch als Paar schwierige Zeiten gemeinsam überstehen könnt. 

Die Medien sind seit Wochen voll mit Nachrichten zu Covid-19 und eine baldige Rückkehr zur Normalität scheint nicht in absehbarer Sicht zu sein. Muss ich um meine nahe Zukunft fürchten oder gar Angst vor dem Corona-Virus haben?

Simone Breitenfeld: Nein, du musst keine Angst vor Corona haben, solange du einen gewissen Respekt und ausreichend Vorsicht aufbringst. In erster Linie gilt es momentan zu verhindern, dass sich das Virus schnell ausbreitet und dadurch die Krankenhäuser überbelegt sind. Die klügsten Köpfe auf der Welt arbeiten Tag und Nacht, um den Virus mittels eines Impfstoff oder Medikamente zu besiegen. Bis es soweit ist, leiste bitte auch du deinen Beitrag zur Eindämmung der Ausbreitung, indem du die Maßnahmen der Regierung ernst nimmst und dich an die Einschränkungen des täglichen Lebens hältst. Durchhalten, Zusammenhalten und gegenseitig stärken – dann werden wir gemeinsam die Situation meistern und hoffentlich bald wieder in unseren gewohnten Alltag zurückkehren können. Vertraue darauf!


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